Geschichte des Oldenburger Landesvereins

von Henning Strotbek

Eine umfangreiche Zusammenfassung der frühen Vereinsgeschichte finden Sie im Oldenburger Jahrbuch 2010 auf den Seiten 93-110 oder als PDF-Datei.

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Vorläufer und erste Vereinsgründung

Seit dem beginnenden 19. Jahrhundert hatten sich in zahlreichen Städten und Gemeinden im deutschsprachigen Raum Bürger organisiert, die sich für die Erhaltung der regionalhistorischen Überlieferung, für die Bewahrung altertümlicher Baudenkmäler und für die Erforschung ihrer Landesgeschichte einsetzten. Zur Umsetzung solcher Vorhaben bot sich in der Regel die Gründung eines Vereins an, wie er im 19. Jahrhundert typisch war. Auch in benachbarten Geschichtslandschaften hatten sich bereits mehrere Altertums- und Geschichtsvereine gegründet (1820 die „Emder Gesellschaft für bildende Kunst und Altertümer“ sowie 1847 der „Osnabrücker Geschichtsverein“), sodass sich auch im Großherzogtum die Bemühungen zur Vereinsgründung verstärkten. Nachdem einzelne Sammler und Forscher sich bereits seit längerem der Vor- und Frühgeschichte der Region gewidmet hatten, gelang es schließlich 1850, den „Verein zur Erforschung und Erhaltung einheimischer Denkmäler des Altertums“ aus der Taufe zu heben. Anlass war der Fund zahlreicher römischer Münzen in Jever, der das historische Interesse der Öffentlichkeit geweckt hatte. Die treibenden Kräfte der Vereinsgründung waren hierbei vor allem der Bibliothekar Dr. Theodor Merzdorf, der Archivar Wilhelm Leverkus sowie der Jurist Ernst Ruhstrat, die allerdings bereits wenige Jahre nach der Vereinsgründung feststellen mussten, dass es nur schwer gelang, genügend Bürger zum aktiven Engagement im Verein zu werben. Zeitgleich gerieten auch andere bürgerliche Vereine in die Krise, was wohl dem Zeitgeist des öffentlichkeitsscheuen Biedermeier geschuldet war. Der Verein schlief vorerst ein, ohne dass er jedoch formell aufgelöst wurde.

Die Neubegründung des Vereins als „Oldenburger Landesverein für Altertumskunde“

Erst am 14. Mai 1875 gelang es, den ursprünglichen Verein durch die Neugründung als „Oldenburger Verein für Altertumskunde“ auf eine festere Grundlage zu stellen. Während die Vereinsziele und auch das maßgebliche Personal im Wesentlichen dieselben blieben, änderte der Verein seine Strategie und seine Struktur an zwei entscheidenden Punkten. Zum einen gelang es, den Verein durch die öffentliche Hand subventionieren zu lassen, wofür er im Gegenzug seine archäologischen Funde den großherzoglichen Sammlungen überließ. Der Großherzog konnte dementsprechend als Protektor des Vereins gewonnen werden. Zum anderen gewann der Verein auf dieser Grundlage eine verstärkte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, was der neu gewählte Vereinsvorsitzende, der großherzogliche Oberkammerherr und Leiter der großherzoglichen Sammlungen, Friedrich Kurt von Alten, bei der Werbung neuer Mitglieder geschickt zu nutzen wusste. Man kann also insgesamt von einer Symbiose zwischen Staat und Verein sprechen.

Diese Kooperation ermöglichte es dem Verein auch, eigene Publikationen drucken zu lassen. Bis 1911 veröffentlichte der neu gegründete Verein so genannte „Tätigkeitsberichte“. Bereits seit 1892 erschien parallel dazu das „Oldenburger Jahrbuch“, welches bis heute eines der wichtigsten regionalhistorischen Organe des Oldenburger Landes ist. Zu diesen Periodika gesellen sich Einzelschriften, die der Verein in der gesonderten Reihe „Schriften des Oldenburger Landesvereins“ herausgibt.

Vom Sammeln zum Forschen: Ausweitung und Professionalisierung der Vereinsziele

Der ursprünglich eher heimatbezogene, zum Teil ganzheitlich-mythisierende Zugriff auf Altertümer, wie er von zahlreichen Hobbyforschern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts leidenschaftlich praktiziert wurde, geriet angesichts der Professionalisierung der Geschichtswissenschaft nach den damaligen universitären Standards zunehmend als „Dilettantentum“ in Verruf. Der offene Bruch zwischen Hobbyforschung und wissenschaftlichem Anspruch wird spätestens deutlich, als eine neue Generation von Forschern, im Oldenburger Verein vor allem durch den Archivdirektor Dr. Georg Sello und seinen zeitweiligen Schüler, den später sehr bekannten Historiker Dr. Hermann Oncken repräsentiert, sich die Professionalisierung der Vereinsziele zur Aufgabe setzte. Beide kritisierten die bisherige Arbeit des Vereins aufs Schärfste. Äußerlich zeigt sich dieser vereinsinterne Gegensatz in der Erweiterung der Vereinsziele von der „sammelnden“ Altertumskunde zur „forschenden“ Landesgeschichte, was sich auch im Vereinsnamen zeigt: Seit 1890 nennt sich der Verein „Oldenburger Landesverein für Altertumskunde und Landesgeschichte“. Dennoch zeugen vor allem die vom Oberrealschullehrer und Vereinsvorsitzenden Dr. Gustav Rüthning herausgegebenen Bände des zwischen 1914 und 1935 erschienenen Oldenburgischen Urkundenbuchs davon, wie schwierig es war, die hohen methodischen Ansprüche wissenschaftlicher Forschung einzuhalten und gleichzeitig die populärwissenschaftliche Ausrichtung des Vereins zu bewahren.

Der Verein im Nationalsozialismus

Als Rüthning nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 mit fast 80 Jahren als Vereinsvorsitzender zurücktrat, übernahm der damalige Archivdirektor Dr. Hermann Lübbing seinen Posten. Die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Mentalität maß der Landesgeschichte und Heimatkunde durchaus einen gewissen Stellenwert zu, wenngleich unter völlig veränderten Vorzeichen. Für den Verein bedeutete dies, dass man sich einerseits der Versuchung ausgesetzt sah, sich mit Forschungen zur Bauern- und Siedlungsgeschichte, zur Volkskunde und germanischen Frühgeschichte, die ja ohnehin Gegenstand der heimatkundlichen Forschung waren, den neuen Machthabern und ihrer Ideologie anzudienen. Andererseits aber musste man akzeptieren, dass die Vereinssatzung nach dem „autoritären Führerprinzip“ umgestaltet und der Verein „gleichgeschaltet“ wurde. Auch gab es durchaus auch vereinzelt kritische Stimmen, die dem um sich greifenden „Germanenfimmel“ und der politischen Vereinnahmung der Wissenschaft eine deutliche Absage erteilten. Der Vorstand indessen zeigte offenbar weniger Skrupel: Während die Jahresberichte des Vereinsvorstandes seit 1933 die neuen Machthaber und ihre Politik in schwärmerischem Ton lobten, war Lübbing im Zusammenhang mit den Pogromen im November 1938 in seiner Funktion als Archivdirektor offenbar an der Enteignung, Sicherung und Verwertung jüdischer Gemeindearchivalien beteiligt.

1942 legten die Kriegslage und der damit verbundene Personal- und Papiermangel eine Vereinigung des Geschichtsvereins mit dem naturkundlich ausgerichteten „Landesverein für Heimatkunde und Heimatschutz“ nahe. Auch wenn die Vereinigung nach außen hin vom Vorstand begrüßt wurde, zeigen interne Dokumente durchaus Ressentiments aufgrund der unterschiedlichen thematischen Zuschnitte beider Vereine.

Der naturkundliche Vereinszweig

Die Vorgeschichte des „Landesvereins für Heimatkunde und Heimatschutz“ geht auf den Gedanken der ländlichen Heimatbewegung zurück. Dr. h.c. Heinrich Schütte, der die Theorie der Küstensenkung entwickelt hatte und sich maßgeblich dafür einsetzte, die Vogelinsel Mellum unter Naturschutz zu stellen, war maßgeblich in die erste naturkundliche Vereinsgründung im Oldenburger Land, nämlich die Gründung des Bezirksvereins Brake im Deutschen Lehrerverband für Naturkunde, involviert und beteiligte sich in diesem Rahmen an der Herausgabe der „Heimatkunde des Herzogtums Oldenburg“. Nachdem die Tätigkeit des Naturkundevereins im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg zunächst eingestellt worden war, bekam die Heimatbewegung in den 1920er Jahren wieder neuen Schwung, so dass 1925/26 der Verein nicht nur als „Landesverein Oldenburg für Heimatkunde und Heimatschutz“ wieder belebt wurde, sondern auch mehrere weitere Vereinsgründungen, wie 1927 die „Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde“, anstoßen konnte.

Von der Forschung zur Volksbildung: Der Verein seit 1946

Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Verein wiederbegründet wurde, behielt man die Vereinigung des naturkundlichen und des historischen Vereinszweiges im „Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde“ bei, der damit seine bis heute endgültige Gestalt gewonnen hat. „Heimat“ bzw. „regionale Identität“ als Bindeglied wirkte sich gerade angesichts der hohen Flüchtlingszahlen, von denen Stadt und Land Oldenburg in den Nachkriegsjahren in besonderer Weise betroffen war, im Nachhinein betrachtet als bereichernde Vielfalt für die Bildungsziele des Vereins aus. Dies zeigt sich vor allem in dem beträchtlichen Spektrum an fachlichen Vorträgen, Publikationen, Exkursionen und Bildungsreisen, welche vor allem unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Hartung zunehmend das Profil des Vereins kennzeichneten. Auch wenn der Verein im Zuge der wachsenden Vielfalt wissenschaftlicher Organisationen in der Stadt Oldenburg (Gründung der „Carl von Ossietzky Universität“, Entstehung der „Oldenburgischen Landschaft“) seit den 1960er Jahren seine einstige „Monopolstellung“ als Träger landesgeschichtlicher Forschung verloren hat, kann er sich bis heute nach wie vor als bedeutende Institution auf dem Gebiet der Archäologie, Landesgeschichte und Naturkunde behaupten.