18.12.2017: Artikel in der NWZ
Oldenburger Jahrbuch: Verein präsentiert aktuelles Werk - Geschichten von Schortens bis Vechta
Landesgeschichte, Archäologie oder Naturkunde - im Jahrbuch wird Historie begreifbar und lesbar. Zum Beispiel die Erzählung über Arnold Spitzer, den "letzten Juden Oldenburgs".
von Jürgen Herold und Tonia Hysky
Experten für Geschichte, Archäologie und Naturkunde haben das neue Jahrbuch des Landesvereins für Geschichte, Natur- und Heimatkunde inhaltlich begleitet.
Ein Buch, das sich viel vorgenommen hat: Das Oldenburger Jahrbuch 2017 deckt räumlich den Bereich zwischen Schortens im Jeverland und Steinfeld im Kreis Vechta ab, unternimmt aber auch Ausflüge nach Italien und bis in den pazifischen Raum. Seit 1892 wird das Jahrbuch vom Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde herausgegeben.
Historisches dominiert im Jahrbuch, aber es gibt Bezüge zur Gegenwart. Im Beitrag über die Arbeitsmigration im Delmenhorst des späten 19.Jahrhunderts erzählt Franz Reinhard Ruppert beispielsweise, wie die junge Delmenhorster Industrie mit dem Bau der Norddeutschen Wollkämmerei und Garnspinnerei 1884 damals auf Zuwanderer angewiesen war.
Ohne Migration, so schreibt der Autor, gäbe es Delmenhorst in seiner jetzigen Form nicht. Mit Fernwanderern aus Böhmen herrschte plötzlich "Leben und Betriebsamkeit in der sonst so ruhigen Stadt", zitiert der Autor. Allerdings traf hier auch die protestantisch geprägte Delmenhorster Bevölkerung auf ausnahmslos katholische Böhmen. Später kamen auch Migranten aus Oberschlesien hinzu.
Kontrovers ist die Geschichte über die Behandlung des Friseurs Arnold Spitzer ("Der letzte Jude von Oldenburg")in der Nazi-Zeit. Am 2. November 1940 schloss Spitzer unfreiwillig seinen Salon an der Donnerschweer Straße. Er war der letzte Gewerbetreibende Oldenburgs,der wegen der "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" sein Geschäft schließen musste. Elias Angele erzählt die Geschichte des Friseurs Spitzer, aber auch den Umgang mit seinem Schicksal nach 1945.
Zu einer anderen Art Kontroverse zählt der Ausdruckstanz, der in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren in Oldenburg auf den örtlichen Bühnen aufgeführt wurde. In einem weiteren Beitrag betreiben Steven Heimlich und Björn Almendinger "Eine postkoloniale Spurensuche in Delmenhorst" mit dem Kolonialforscherviertel in Annenheide.
Kurios erscheint die kurze Geschichte bäuerlicher Segelregatten auf der Hunte im ausgehenden 19. Jahrhundert. Auf die Sieger warteten damals Prämien wie Champagner, Magenbitter, Zigarren oder Pfeifen.
Ein ganz anderes Themenfeld behandeln die Beiträge zu einem Gemälde der Oldenburger Gemäldegalerie ("Rebekka und Elieser"), zu einem Gräberfeld bei Schrotens, welches sowohl in demografischer als auch in religionsgeschichtlicher Hinsicht bemerkenswerte Rückschlüsse zulässt, und zu neuen Bodenprofilen aus dem Oldenburger Land, welche im Landesmuseum Natur und Mensch zu besichtigen sind.
Das Jahrbuch erscheint im Isenseeverlag und kostet 24,80 Euro. ISBN Nummer lautet 978-3-7308-1384-3.
Quelle: Nordwest-Zeitung