Artikel und Berichte

11.12.2012: Artikel in der NWZ

Historisches und Verwickeltes

Neues Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins

Zahlreiche Aufsätze und eine reichhaltige Bebilderung zeichnen das Werk aus. Es ist bereits Band 112 der Reihe.

von Jürgen Herold

Oldenburg - Wer das Jahrbuch 2012 des Oldenburger Landesvereins zur Hand nimmt, mag darüber staunen, dass den Einband ein Bild des Bundespräsidenten Gauck ziert, dessen Konterfei nicht so recht zum gleichfalls auf dem Einband dargelegten Programm des Jahrbuchs passen will: „Geschichte, Kunstgeschichte, Archäologie, Naturkunde, Bibliographie“.

Das Programm stellt eine Erweiterung gegenüber früheren Ausgaben des Jahrbuchs dar: „Kunstgeschichte“ und „Bibliographie“ waren früher nicht als eigenständige Sektionen genannt. Im aktuellen Jahrbuch umfasst die Sektion „Kunstgeschichte“ gleich vier Beiträge. Eine ausführliche Darstellung gilt der Geschichte der Staatlichen Galerie Neuerer Malerei und den Kontroversen, die sich mit der Einrichtung dieser Galerie verbanden – auf diesen Beitrag bezieht sich übrigens auch das zweite Einbandbild, das das Gemälde „Birken in Worpswede“ von Fritz Overbeck wiedergibt. Ein weiterer längerer Beitrag befasst sich mit den Beständen des Landesmuseums Oldenburg, die der Leipziger Schule zugeordnet werden können. In zwei kürzeren Beiträgen wird das Wirken des Oldenburger Kunstsammlers Georg Düser und des Kunsthistorikers Gerhard Wietek gewürdigt. Der Programmankündigung auf dem Titelblatt entspricht, dass auch eine „Oldenburgische Bibliographie“ in gewohnter Akribie zusammengestellt worden ist.

In der Geschichtsabteilung finden sich sieben Aufsätze – das Spektrum reicht von den Verwicklungen, die sich aus der Festsetzung dreier Repräsentanten der Stadt Danzig durch einen Cloppenburger Vogt 1438 ergaben („Die Hanse und der deutsche Nordwesten im 15. Jahrhundert“), über die Hofhaltung des Grafen Anton Günther und die bäuerliche Selbstverwaltung im Unterweserbereich im 17./18. Jahrhundert bis zu den Widersprüchen im Wirken einer Oldenburger Pädagogin („Bertha Ramsauer und die Selbstbildung des Menschen“).

Neben dem allgemeinen Bericht zur archäologischen Denkmalpflege meldet sich die Archäologie mit Beiträgen zu Grabungen auf dem Oldenburger Schlossplatz und der „Umnutzung“ eines jungsteinzeitlichen Großsteingrabes zu Worte.

Besondere Beachtung verdienen Aufsätze der Abteilung „Naturkunde“. Wer die Natur als festes, unveränderliches System zu begreifen neigt, wird in seinen Ansichten erschüttert, wenn er den Beitrag über die Veränderungen im Zug- und Brutverhalten des Kranichs liest – ein Beitrag übrigens, der durch bemerkenswerte Bilder ergänzt wird.

Und wie ist nun Joachim Gauck unter Heuschrecken und Hansestreitigkeiten geraten? Die Auflösung dieses Rätsels findet sich am Ende des Jahrbuchs 2012, wo über einen Vortrag des Noch-nicht-Bundespräsidenten in der Oldenburger Lambertikirche, gehalten auf Einladung des Landesvereins, berichtet wird.

Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg

28.11.2012: Präsentation des Oldenburger Jahrbuchs 2012

Über Kirchen und Kraniche

Von Katrin Zempel-Bley

Artikel erschienen in der Kreiszeitung Wesermarsch.

Oldenburg. Das Oldenburger Jahrbuch 2012 kann zu Recht von sich behaupten, schwergewichtig zu sein. 382 Seiten umfasst es und enthält 24 Beiträge aus den Bereichen Geschichte, Archäologie, Kunstgeschichte und Naturkunde sowie drei biografische Beiträge und Berichte aus dem Oldenburger Landesverein (OLV), der das Jahrbuch herausgegeben und soeben vorgestellt hat.

63 farbige und 63 schwarz-weiße Abbildungen bereichern die Aufsätze. Tatsächlich ist es ein buntes Buch geworden, auf dessen Titelseite Joachim Gauck vor dem Altar der St.-Lamberti-Kirche zu sehen ist und Fritz Overbecks Birken in Worpswede von 1908. Bevor Gauck Bundespräsident wurde, kam er auf Einladung des OLV im Februar nach Oldenburg und hielt einen Vortrag. Die letzten Seiten im Jahrbuch berichten darüber.

Präsentation des Oldenburger Jahrbuchs am 22. Nov. 2012 im Staatsarchiv Oldenburg: Dr. Jörgen Welp (Oldenburgische Landschaft), Gabriele Mesch (Stiftung Kunst und Kultur der LzO), Torben Koopmann (OLV), Dr. Jana Esther Fries (Facherhausgeberin Archäologie), Pfarrer i.R. Reinhard Rittner (OLV-Vorsitzender), Prof. Dr. Albrecht Eckhardt (langjähriger Fachherausgeber Geschichte) - Foto: Detlef Lubenau

Aktuell und facettenreich

Das Jahrbuch berichtet aktuell und facettenreich über Themen der Regionalforschung im Oldenburger Land. So auch über neue Erkenntnisse zur Baugeschichte und Architektur der mittelalterlichen Kirche von Rodenkirchen. Hier gelang es Hermann Haiduck, eine weitergehende Rekonstruktion der Kirche mit Querschiff und drei Apsiden herzustellen, die den Zusammenhang mit rheinisch-westfälischen Vorbildern deutlich erkennen lässt.

Der Rastederin Margarethe Pauly gelingt es, die Herkunft der Schweiburger Altarplatte zu klären. Die Kirche wurde 1761/62 gebaut, die Altarplatte stammt jedoch aus dem Mittelalter. Wie kam sie in die Kirche? Pauly fand heraus, dass sie sich zuvor in der Rasteder Klosterkirche befand, bis diese abgerissen wurde und ihre Ausstattungsstücke angeboten wurden.

Der Beitrag von Ekkehard Seeber beschäftigt sich mit neuen Funden alter Bauerrechte links und rechts der Weser. Inhaltlich geht es um Land- und Wegerechte, Brandschutz, Wirtschafts- und Sozialrecht sowie um den Umgang mit der Obrigkeit. Klaus-Peter Müller schreibt über die Reisetagebücher Ulrich Jasper Seetzens in der Landesbibliothek Oldenburg. Der Mediziner aus dem Jeverland wollte nach Afrika reisen. Er kam jedoch nur bis Jemen und erlebte allerhand Abenteuer und Skurrilitäten, über die der Aufsatz berichtet.

Die Autoren: (von links) Pfarrer i.R. Reinhard Rittner (OLV-Vorsitzender), Hermann Dirks, Ivan Wigger, Dr. Bernd Rothmann, Dr. Jana Esther Fries, Prof. Dr. Rainer Stamm, Margarethe Pauly, Anna Heckötter, Hermann Haiduck, Prof. Dr. Rudolf Holbach, Kay Fuhrmann, Dr. Klaus-Peter Müller, Prof. Dr. Dagmar Freist - Foto: Detlef Lubenau

Ein weiterer Aufsatz erinnert an Gerhard Wieteck, den Nestor der neueren Kunstgeschichte im Oldenburger Land, der stets neue Entdeckungen gemacht und darüber berichtet hat. Im Bereich der Archäologie gibt es einen Überblick über die Grabungen aus 2011. „Die Kracher haben wir beschrieben“, sagt Bezirksarchäologin Jana Esther Fries.

Besonders interessant ist der Beitrag von Hermann Dirks über den Kranich, den Hauptdarsteller einer Erfolgsgeschichte. Kranichpaare gab es kaum noch in Norddeutschland. Heute leben 700 Paare in Niedersachsen. Durch die Wetterereignisse liegt die Umgebung von Diepholz in den Zugbereichen der majestätischen Tiere. Jährlich landen dort 90 000 und machen Rast. Der Beitrag ist faszinierend farbig bebildert.

Es ist der 112. Band in der Reihe, die seit 1892 existiert und die bis auf die letzten fünf Jahrgänge inzwischen auch online zugänglich ist. Zu den Inhalten tragen zahlreiche Autoren ehrenamtlich bei, wofür sich OLV-Vorsitzender Reinhard Rittner bei allen Mitwirkenden bedankte. Ein solches Druckerzeugnis ließe sich auch ohne Sponsoren nicht schultern. Die Stiftung Kunst und Kultur der LzO hat sich engagiert.

Die Fachherausgeber: Prof. Dr. Rainer Stamm, Dr. Jana Esther Fries, Prof. Dr. Gerd Steinwascher, Dr. Klaus-Peter Müller - Foto: Detlef Lubenau

Zum Weiterlesen

Titel: Oldenburger Jahrbuch 2012

Verlag: Isensee, Oldenburg

Preis: 24,80 Euro

ISBN: 978-3-89995-935-2

10.10.2012: Interview mit Prof. Dr. Hartmut Lehmann

Erinnerung an Luther von Kirche instrumentalisiert

von Norbert Wahn

FRAGE: Herr Professor Lehmann, Sie haben die Lutherjubiläen historisch untersucht. Hat der Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 überhaupt stattgefunden?

LEHMANN: Diese Frage wird seit über 50 Jahren kontrovers diskutiert. Nach allen Belegen, die wir haben, ist es aber in hohem Maße wahrscheinlich, dass Martin Luther die Thesen nicht am 31. Oktober 1517 angeschlagen, sondern per Post an seine kirchlichen Oberen verschickt hat.

FRAGE: Sind Luthers 95 Thesen eine Gründungsurkunde des Protestantismus oder zielten sie auf eine Reformder Kirche?

LEHMANN: Die Thesen zielten eindeutig auf ein spezielles Problem, das Teil einer Reform der Kirche war, nämlich den Versuch, Tetzels Ablasspraxis zu verbieten. Das war 1517 Luthers wichtigstes Anliegen.

FRAGE: Die Reformationsgedächtnisfeiern haben erst im 19. und 20. Jahrhundert an Beliebtheit gewonnen. Welche Motive und Interessen sind damit verknüpft worden?

LEHMANN: Bei diesen Feiern wurde Luther von der nationalen

Bewegung als Identifikationsfigur aufgebaut. Gute Deutsche sollten so sein wie Luther. Außerdem gibt es einen Zusammenhang mit dem Prozess der Säkularisierung. Die Erinnerung an Luther wurde instrumentalisiert, um die Rolle der Kirche in der Gegenwart zu stärken oder um kirchenpolitische Positionen zu legitimieren.

FRAGE: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Lutherdekade ausgerufen. Was ist damit beabsichtigt?

LEHMANN: Nach allem, was man über die Lutherdekade weiß, spielten zwei Motive eine Rolle: Die Stärkung der Kirche in einer Phase der Entchristlichung in den neuen Bundesländern und die Ankurbelung des Tourismus in den sogenannten „Lutherländern“.

FRAGE: Was vermissen Sie?

LEHMANN: Ich hätte es begrüßt, wenn die Kirchen der ganzen Welt in die Aktivitäten einbezogen worden wären, und versucht worden wäre, jene Themen zu erörtern, die einer vorbehaltlose Würdigung Luthers im Wege stehen, z.B. seine Kritik an Bauern

und seine Hasstiraden gegen Türken und Juden.

Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg

19.09.2012: Über 100 Jahre „Oldenburger Jahrbuch“ jetzt online

Seit 1892 werden wichtige Forschungen zur Geschichte, Kultur und Natur des Oldenburger Landes regelmäßig im „Oldenburger Jahrbuch“ publiziert, das der Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e.V. herausgibt.

Seit heute stehen die Jahrgänge von 1892 bis 2007 unter der Adresse http://digital.lb-oldenburg.de für jedermann kostenfrei im Internet zur Verfügung.

Ermöglicht hat dies eine Kooperation der Landesbibliothek Oldenburg mit dem Oldenburger Landesverein. Die neue Online-Ausgabe wurde heute im Rahmen einer Pressekonferenz frei geschaltet. „Durch das Online-Jahrbuch wird das in über 100 Jahren gesammelte Wissen über unsere Region weltweit sichtbar und für jeden Interessierten leicht zugänglich“, betonte Reinhard Rittner, Vorsitzender des Oldenburger Landesvereins. Die Online-Ausgabe ermöglicht es erstmals, Titel oder Autoren von Aufsätzen in allen Jahrgängen gleichzeitig zu recherchieren, wie Dr. Klaus-Peter Müller, Leiter der IT-Abteilung der Landesbibliothek Oldenburg an Beispielen demonstrierte. Einzelne Jahrgänge können auch heruntergeladen und im Volltext nach beliebigen Begriffen durchsucht werden. Die Online-Ausgabe soll künftig regelmäßig aktualisiert werden. Die neuesten fünf Jahrgänge des Jahrbuchs bleiben jedoch nach wie vor nur gedruckt zugänglich.

Das Oldenburger Jahrbuch online ist Teil der neuen digitalen Quellen- und Literatursammlung über die Region, die die Landesbibliothek Oldenburg heute ebenfalls vorgestellte. „Für die digitale Sammlung zum Oldenburger Land werden wir kontinuierlich weitere interessante Drucke aus unseren Beständen digitalisieren“, sagte Corinna Roeder, Leiterin der Landesbibliothek Oldenburg. Schon jetzt zu bewundern sind u.a. die berühmten oldenburgischen Chroniken von Hermann Hamelmann und Johann Justus Winkelmann.

Oldenburger Jahrbuch online: http://digital.lb-oldenburg.de -- >Zeitschriften

Sammlung Oldenburger Land: http://digital.lb-oldenburg.de --> Oldenburger Land

06.08.2012: Neuer Vorstand

Neuer Vorstand (v.links) Pfarrer i. R. Reinhard Rittner (Vors.), Rechtsanwalt Helmut H. Müller (2. stellv. Vors.), Amtsgerichtsdirektor Jörg Duvenhorst (1. stellv. Vors.), Studienrat Torben Koopmann (Schriftführer)

Nordwest-Zeitung Oldenburg 3. Juli 2012

29.04.2012: Interview in der NWZ

Kreuzzüge keine Rechtfertigung für Breiviks Massenmorde

von Sandra Binkenstein

FRAGE: Das Mittelalter, die finstere Epoche, fasziniert auch heute noch viele Menschen. War die Zeit des Mittelalters tatsächlich grausamer als die heutige?

ALTHOFF: Das ist in der Tat eine bis heute gängige Einschätzung, die uns schon im 16. Jahrhundert begegnet, als man sich von der vorherigen Zeit abgrenzen wollte, und sie deshalb als gewalttätig und finster abqualifizierte. Und natürlich gibt es auch eine Fülle von Ereignissen im Mittelalter, die belegen, dass Menschen gewalttätig und grausam miteinander umgingen. Durch die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts und ihre Völkermorde und Gewaltexzesse ist allerdings der Optimismus geschwunden, dass die Menschheit immer friedfertiger werde.

FRAGE: Sie beschäftigen sich mit Papsttum und Gewalt im Hochmittelalter. Im Neuen Testament wirbt der Mann aus Nazareth für Gewaltverzicht. Wie konnten die Päpste da überhaupt Gewalt als Mittel ihrer Politik rechtfertigen?

ALTHOFF: Die Frage steht im Mittelpunkt des Vortrags. Die Päpste fanden im Alten Testament entscheidende Stützen für ihre neuen Geltungsansprüche, die auch den Einsatz von Gewalt rechtfertigten. Schon ihre Zeitgenossen haben mit den einschlägigen Stellen des Neuen Testaments energisch widersprochen und die Nächsten- und Feindesliebe als wesentliche christliche Botschaft in den Vordergrund gestellt. Durchgedrungen sind sie damit aber nicht, wie die Gewaltanwendung gegen Ungehorsame, Häretiker und Ungläubige deutlich macht, das ist gerade vom 11. bis 13. Jahrhundert zu beobachten.

Schlosssaalvortrag 26. April 2012

Begrüßung durch Torben Koopmann

FRAGE: Der norwegische Massenmörder Breivik versteht sich als ‚neuer Tempelritter’. Kann er sich mit Recht auf die Kreuzzüge berufen? Oder hat er sich in einen absurden Fundamentalismus verrannt?

ALTHOFF: Die wirren Anknüpfungen seiner Ideologie an Kreuzritter und Kreuzzüge spielen in seinem Pamphlet wirklich eine sehr große Rolle. Aber natürlich kann man geschichtliche Vorgänge nicht als Rechtfertigung von Gewalt in unserer Zeit nutzen. Vor dem Hintergrund der furchtbaren Tat stellt sich allerdings die Frage, ob die zuständigen Institutionen in Wissenschaft und Kirchen nicht energischer gegen die Mythisierung der Kreuzzüge hätten vorgehen sollen und sie als Irrwege der christlichen Religion stärker brandmarken sollen. Hier hat man das Feld vielleicht zu lange einer gewaltverherrlichenden Ideologie rechter Wirrköpfe überlassen.

Aussprache (von links) Pfarrer Reinhard Rittner, Prof. Dr. Gerd Althoff

Gerd Althoff, 68, gehört zu den profiliertesten Mittelalterhistorikern. Auf Einladung des Oldenburger Landesvereins spricht er am 26. April im Oldenburger Schlosssaal über „Das Papsttum und die Gewalt im Hochmittelalter“. Beginn: 20 Uhr.

Lesen Sie den Artikel nach unter: NWZonline.

02.04.2012: 562 von 3000 Münzen gerettet

Der Münzschatz von Jever gilt als bedeutendster Fund der Region. Bis 29. April sind die Münzen im Schloss zu sehen.

VON ATTO IDE

Freuen sich, präsentieren zu können, was vom Schatz noch übrig ist: Torsten Borchardt (OLB), Prof. Dr. Antje Sander, Dr. Martin Lindner, Deborah Pischel, Dr. Susanne Börner, Torben Koopmann (Oldenburger Landesverein), Prof. Dr. Albrecht Eckhardt

JEVER - „Was man findet, darf man behalten. Oder?“ So oder so ähnlich mögen die Arbeiter gedacht haben, die im März 1850 bei Erdarbeiten auf Silbermünzen stießen. In den folgenden Tagen setzte in Jever eine rege Verkaufstätigkeit ein. Sammler deckten sich preiswert mit antiken Münzen ein – teilweise wurden Münzen eingeschmolzen.

Zwischen 3000 und 5000 römische Münzen sollen es gewesen sein. Erst zwei Tage später erfuhren die Behörden von dem Fund und versuchten zu retten, was noch zu retten war. Ganze 562 Münzen konnten sie noch sicherstellen, mussten sie teilweise von ihren neuen Besitzern zurückkaufen.

Was anmutet wie eine Provinzposse, war sicher für Archäologen und Historiker eine Tragödie. Der Münzschatz bestand ausschließlich aus römischen Münzen aus dem ersten und zweiten Jahrhundert nach Christi Geburt.

„Selbst wenn wir alles abziehen, was geklaut, verkauft und eingeschmolzen ist, ist dieser Fund das weitaus Größte, was wir in dieser Region haben.“ So beschrieb Dr. Martin Andreas Lindner von der Universität Göttingen bei der Ausstellungseröffnung im Schlossmuseum Jever die Bedeutung des Schatzes.

Über die Friesen und Chauken wisse man sehr wenig. Die Stämme hätten keine eigenen Aufzeichnungen hinterlassen und die Darstellung durch römische Geschichtsschreiber sei wenig verlässlich.

Wie spannend diese Geschichte ist, zeigte auch der rege Betrieb bei der Ausstellungseröffnung. Mehr als 100 Besucher drängten sich im Steinsaal, um Hintergründe zu erfahren und die Münzen anzusehen.

Zehn Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen der Universität Oldenburg haben da mit viel Engagement und Herzblut eine sehenswerte Ausstellung unter dem Titel „Für bare Münze?“ konzipiert.

Der Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde, dessen Gründung durch diesen Fund initiiert wurde, hat das Buch zur Ausstellung mit vielen Hintergrundinformationen herausgegeben. Die Ausstellung ist noch bis zum 29. April zu besichtigen.

Quelle: Nordwest-Zeitung, Oldenburg

15.02.2012: Berichterstattung Gauck-Vortrag

Joachim Gauck während seines Vortrags - Foto: Ralph Hennings

Kämpfer, Künstler, Spötter und Erlöser

Joachim Gauck spielt bei seiner Rede in Oldenburg viele Rollen und zeigt,dass er der ideale Bundespräsident wäre

Die Menschen in der Lambertikirche bestaunen ihn. Er erklärt ihnen, warum unsere Demokratie so wichtig ist – und was der Osten trainieren muss.

Von Andreas Lesch

Als der Abend fast zu Ende ist, bekommt Joachim Gauck noch ein Lamm in die Hand gedrückt. Eines aus Stoff. Gauck fragt: „Na, mein Kleiner, wie heißt denn du?“ Das Lamm heißt Lamm Berti; Gauck hat schließlich gerade in der St.Lamberti-Kirche gesprochen. „Och, super“, sagt er, „da kann mein Enkel mit spielen.“ Gauck hat an diesem Donnerstag in Oldenburg für jeden das passende Wort. Sogar für ein Kuscheltier. Vor anderthalb Jahren ist Gauck für die Wahl zum Bundespräsidenten nominiert gewesen. Er ist im dritten Wahlgang dem Gegenkandidaten Christian Wulff unterlegen. Jetzt, da Wulff sich und das Land mit seiner ewigen Affäre quält, beweist Gauck bei seinem Auftritt in Oldenburg, dass er der bessere, der ideale Bundespräsident wäre. Er erwähnt Wulff mit keinem Wort. Das muss er auch nicht. Er weiß, wie er auf seine Zuhörer wirkt. Er weiß, dass sie sehen, hören, fühlen, wie überlegen er dem Staatsoberhaupt ist. Das Thema seines Vortrags lautet: „20 Jahre Wiedervereinigung – ist zusammengewachsen, was zusammengehört?“ Aber Gauck hält keine Geschichtsstunde. Er erzählt Geschichten. Er erklärt, warum unsere Demokratie so wichtig ist und warum wir für sie kämpfen müssen: „Keiner meiner männlichen Vorfahren hat das erlebt, was ich erlebe: nicht in den Krieg ziehen zu müssen.“ Gauck hat etwas zu sagen. Er rüttelt auf. Er macht Mut.Er bringt die Leute zum Lachen. Sie lachen mit ihm – und nicht über ihn, wie bei Wulff. Anders als der Bundespräsident verteidigt Gauck sich nicht, er greift an. Er fragt sein Publikum, warum wir als Konsumenten ständig wählen und Entscheidungen treffen, für Schuhe, Autos, Urlaubsziele – und bei der Wahl eines Bürgermeisters behaupten, wir seien überfordert. „Total blöd, so was“, schimpft Gauck.Er warnt: „Alle Menschen sind diktaturfähig.“ Als das Publikum raunt, fügt er an: „Glauben Sie nicht? Hier war auch mal Diktatur. Selbst der edle Menschenschlag, der hier lebt, kann Diktatur.“ Da schweigen alle. Einmal erzählt Gauck von einem Jungen und einem Mädchen aus der DDR, und nebenbei spöttelt er: „So, meine Damen und Herren, wir versetzen uns jetzt mal in dieses jugendliche Alter. Für einige hier ist das schwierig.“ Die meisten Zuhörer sind über 50. Sie lachen. Er hat das geahnt. Er hat ein Gespür für die Menschen. Er weiß, wie er sie packen kann. Zu Beginn seiner Rede ruft jemand, er verstehe Gauck schlecht. Das freut den Redner, er sagt: „Wenn was nicht stimmt, mucken Sie gleich auf!“ Die Lambertikirche ist voll bis auf den letzten Platz. Pfarrer Reinhard Rittner, der Vorsitzende des Oldenburger Landesvereins und Organisator des Abends, scherzt: „Wenn ich mich umschaue, könnte man denken, es wäre Heiligabend.“ Wer sieht, wie die Menschen Gauck zuhören, wie sie ihn bestaunen, wie sie ihm nach seiner Rede mit glänzenden Augen danken, der kann den Eindruck gewinnen, er sei tatsächlich eine Art Erlöser. Gauck beherrscht eine Kunst, die wenige Politiker beherrschen: Er sagt Sätze, die hängen bleiben. Zum Beispiel: „Ich war in der DDR kein Staatsbürger, sondern ein Staatsinsasse.“ Oder: „Es gibt einen ganz natürlichen Trainingsrückstand der Ostdeutschen in Sachen Demokratie. Sie wählen Parteien, die wir nicht brauchen. Wir brauchen nicht die Linkspartei – und schon gar nicht diese rechten Halunken.“ Gauck bringt in seiner Rede das Mittelalter und die Fürsten unter, Kaiser Wilhelm und Willy Brandt, Adolf Hitler und Josef Stalin, Honecker-Witze und Buschzulagen – und trotzdem hat alles seine Ordnung und seinen Sinn. Natürlich spricht Gauck frei. Er trägt Dialoge mit verschiedenen Stimmen vor, wie ein Ein- Mann-Hörspiel. Er macht Pausen an den richtigen Stellen, er spricht laut und leise. Alles sitzt, er steht. Er ruht in sich. Er traut sich was, er tippt sich auch mal an die Stirn. Würde Wulff es je wagen, seinem Publikum einen Vogel zu zeigen? Irgendwann sagt Gauck: „Ich brauche Bürger, die bereit sind, ihre Rolle als Entscheider anzunehmen und die nicht so tun, als sei alles selbstverständlich.“ Das klingt wie ein echter Bundespräsidenten-Satz. Vermutlich soll es auch so klingen

Oldenburgische Volkszeitung - http://www.ov-online.de

Die voll besetzte Lamberti-Kirche - Foto: Ralph Hennings

Vom Wert einer freiheitlichen Gesellschaft

Joachim Gauck spricht in Oldenburg über Wendejahre und ostdeutsche Befindlichkeiten

Der Pfarrer skizziert sozialistische Lebenswege und spricht vom Zusammenwachsen von Ost und West. Er appelliert an die Gäste, Verantwortung zu übernehmen.

Von Norbert Wahn

700 begeisterte Zuhörer fand am Donnerstagabend der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Präsidentschaftskandidat Dr. Joachim Gauck in der Oldenburger Lambertikirche. Auf Einladung des Oldenburger Landesvereins sprach der 72-Jährige, der zehn Jahre lang die Stasi-Unterlagen-Behörde leitete und aktuell Vorsitzender der Vereinigung „Gegen das

Vergessen – Für Demokratie“ ist, über „20 Jahre nach der Wiedervereinigung – Ist zusammengewachsen, was zusammengehört?“. Er ist in seinem Element. Kein Manuskript, kein Stichwortzettel, eine Stunde spricht er frei, immer wieder humorig. Etwa, als zu Beginn seiner Rede das Mikrofon zu leise ist und sich jemand darüber beklagt, antwortet er: „Wenn etwas nicht stimmt, immer aufmucken: Sie sind das Volk.“ Gauck erzählt anfangs von den Wendejahren, wo im Osten die Euphorie um Wiedervereinigung und DMark bei vielen dem Missmut wich wegen geschlossener Arbeitsstätten und Arbeitslosigkeit. „Wir mussten Demokratie erst lernen nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft und 44 Jahren im Sozialismus.“ Der Pfarrer skizziert sozialistische Lebenswege, erwähnt die Prägung der Vorwende- Ostdeutschen zur Gefolgschaft, spricht von „Karrieremustern in Ossiland“, von Menschen, die „von Kindesbeinen gelernt haben, sich anzupassen“. Gauck will damit nicht für Verständnis werben, sondern deutlich machen, dass die Ostdeutschen es nicht einfach hatten: „Nach der Wende waren wir plötzlich nicht mehr die Sieger, sondern die Lehrlinge.“ Sein eigentlicher Appell an die Zuhörer lautet, „das große Angebot der freiheitlichen Gesellschaft“ zu nutzen und ihren Wert zu schätzen. „Dabei ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen: privat, beruflich und gesellschaftlich“, betont der 72-Jährige. Immer wieder braust bei einigen seiner Aussagen Applaus auf, etwa wenn er sagt: „Menschen sind begabt füreinander.“ Und dann wirbt er doch noch für ein wenig Verständnis: „Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Ossis immer noch ein bisschen anders sind.“ Als Joachim Gauck seinen Vortrag beendet, erheben sich alle Gäste von ihren Plätzen und spenden minutenlang Applaus. Der Mann aus dem Osten hatte im Nordwesten ein Heimspiel.

Nordwest-Zeitung - http://www.nzw-online.de

NWZTV zeigt einen Beitrag unter www.NWZonline.de/nwztv

v.l.n.r.: Vorsitzender des Oldenburger Landesvereins Pfarrer Reinhard Rittner, Joachim Gauck, Schriftführer des Oldenburger Landesvereins Torben Koopmann - Foto: Ralph Hennings

Werben für östliche Befindlichkeiten

Joachim Gauck erklärt den „Trainingsrückstand“ in Sachen Demokratie

Von Frank Hethey

Ein leidenschaftliches Plädoyer für den mündigen Bürger hat der frühere DDR-Bürgerrechtler Dr. Joachim Gauck am Donnerstagabend vor 700 Zuhörern in der ausverkauften Oldenburger Lambertikirche gehalten. „Wir brauchen Bürger, die bereit sind, ihre Rolle als verantwortungsvolle Menschen, als Entscheider anzunehmen“, sagte der 72-jährige Theologe in seiner gut eineinhalbstündigen Rede zum Thema „20 Jahre nach der Wiedervereinigung – ist zusammengewachsen, was zusammengehört?“. Seine Würdigung freiheitlicher Gemeinwesen verband Gauck mit dem Appell, sich im gesellschaftlichen Leben mehr zu engagieren. „Wir sind eine entscheidungsfähige Nation – aber oft genug nur im Konsum.“ Der langjährige Leiter der Stasi-Unterlagen- Behörde und unterlegene Gegenkandidat des amtierenden Bundespräsidenten Christian Wulff war auf Einladung des Oldenburger Landesvereins an die Hunte gekommen. In seinem Vortrag verglich Gauck die Mentalität seiner Landsleute in den neuen Bundesländern mit dem deutschen Untertanengeist im 19. Jahrhundert. Das Leben in der DDR sei eine „ständige Einladung zu Gehorsam und Unterwerfung“ gewesen: „Die Leute haben von Kindesbeinen an gelernt, dass es rational ist, sich anzupassen.“ Anders im Westen, wo nach 1945 eine funktionierende Zivilgesellschaft entstanden sei. „Das ist ein gewachsener Rückstand, ein Trainingsrückstand, der erst einmal aufgeholt werden muss.“ Für die Befindlichkeiten im Ostteil der Republik warb Gauck mit plastischen Beispielen aus dem Alltagsleben um Verständnis. „Sie sollen nicht nur verstehen, sondern auch fühlen, wie es ist, in einem gesellschaftlichen Umfeld zu leben, in dem es überhaupt nichts bringt, mutig und tapfer zu sein.“ Eine erfolgreiche Berufskarriere sei in der DDR nur möglich gewesen, wenn man das System nicht infrage gestellt habe. „Da war man kein Staatsbürger, sondern ein Staatsinsasse.“ Diese Mentalität mache sich bis heute im Wahlverhalten bemerkbar: „Die im Osten wählen anders. Die wählen Parteien, die wir nicht brauchen.“ Eindringlich warnte Gauck davor, die Errungenschaften der westlichen Welt und insbesondere in Nordeuropa kleinzureden. „Bei uns gibt es ein soziales Netzwerk, nach dem sich acht Neuntel der Weltbevölkerung sehnen würden.“ Die Fortschritte im Laufe der deutschen Geschichte illustrierte Gauck auch mit Beispielen aus der eigenen Familienhistorie. Er selbst habe keinerlei Gewalterfahrungen als Soldat machen müssen – im Gegensatz zu seinen männlichen Vorfahren. Über die Affäre um seinen einstigen Konkurrenten Wulff verlor Gauck kein Wort. Gleichwohl ließen sich einige Anmerkungen sehr wohl auf den taumelnden Bundespräsidenten beziehen. So etwa, als Gauck in geradezu existenzialistischer Manier die Entscheidungsfreiheit des Individuums betonte: „Es ist wichtig zu glauben, dass wir allezeit eine Wahl haben.“

Delmenhorster Kreisblatt - www.dk-online.de