Oldenburger Forschungen, Band 31

Erbprinz Paul Friedrich August von Holstein-Oldenburg in Russland 1811-1816. Exil und Aufhebung der Leibeigenschaft in Estland

Oldenburger Forschungen Band 31 Titelbild

Erbprinz Paul Friedrich August (1783-1853) folgte während der französischen Annexion des Oldenburger Landes seinem Vater Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg ins Exil nach Russland. Dort wirkte er im russischen Hauptquartier als Generalleutnant bis zur Verbannung Napoleons und kehrte nach einer Zwischenetappe beim Wiederaufbau des Herzogtums Oldenburg für weitere zwei Jahre nach Russland zurück. Zar Alexander I. berief ihn zum Generalgouverneur von Estland. Erbprinz August führte u.a. eine Agrarreform durch, die die Aufhebung der Leibeigenschaft estländischer Bauern zum Ziel hatte. Die erhaltene Korrespondenz und weitere Archivalien erlauben eine Rekonstruktion dieses Geschichtsabschnittes und ermöglichen einen Blick auf die Entwicklung der Persönlichkeit und des Wirkens von Paul Friedrich August, der dann von 1829 bis 1853 als Großherzog das Großherzogtum Oldenburg regierte.

Der Autor, Dr. Bernd Müller (72), Brigadegeneral a.D., arbeitet als promovierter Historiker in Oldenburg und nimmt Lehraufträge am Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität wahr.

Lehrjahre eines Großherzogs

Neues Buch über Paul Friedrich August

Dr. Bernd Müller hat ein weiteres Buch über eine Epoche aus der Geschichte des Hauses Oldenburg verfasst, zur Freude von Herzogin Caroline von Oldenburg und Professor Dr. Rudolf Holbach vom Oldenburger Landesverein (v.r.). Foto: Ruhsam

von Lars Ruhsam

Vieles ist bekannt über Erbprinz Paul Friedrich August, der 1829 seinem Vater Peter Friedrich Ludwig als Oldenburger Regent nachfolgte. Seine Jugend zum Beispiel, oder seine Zeit an der Spitze des Großherzogtums. Und dazwischen? 1811 ging er mit seinem Vater ins russische Exil, 1816 kehrte er nach Oldenburg zurück. Dieser Zeit im Zarenreich widmet sich ein neues Buch des Oldenburger Historikers Dr. Bernd Müller.

Für die Publikation „Erbprinz Paul Friedrich August von Holstein-Oldenburg in Russland 1811-1816. Exil und Aufhebung der Leibeigenschaft in Estland“ wälzte Müller etliche Akten im Oldenburger Staatsarchiv. Da sie, wie zu dieser Zeit üblich, auf Französisch verfasst waren und offenbar einen Abschnitt behandelten, der bislang niemandes Interesse geweckt hatte, schließt die Arbeit des Brigadegenerals a.D., der erst nach seiner Pensionierung ein Geschichtsstudium nebst anschließender Promotion aufnahm, eine Lücke in der Forschung.

„Für Paul Friedrich August ist die Zeit, die Bernd Müller beschreibt, eine Zeit der Reife und der Bewährung, die er als Chance begriffen und auch genutzt hat“, sagt Professor Dr. Rudolf Holbach, Vorstandsmitglied des Oldenburger Landesvereins für Geschichte, Natur- und Heimatkunde. Auch das Verhältnis zwischen Vater Peter Friedrich Ludwig und seinem ältesten Sohn werde thematisiert.

Im Exil erhält „Gustl“, wie sein Vater ihn häufig nennt, den Titel eines Generalleutnants der russischen Armee und wird zudem Generalgouverneur für Estland. Beides sei durchaus üblich gewesen, sagt Bernd Müller, wenngleich vom Erbprinzen kaum rechte Tätigkeiten erwartet wurden.

Mit Beginn des Russlandfeldzugs Napoleons 1812 wird Paul Friedrich August ins Hauptquartier der Westarmee versetzt und fungiert hier „als eine Art Edelmelder“ (Müller). Auch wenn er ohne rechte Aufgabe geblieben sei, habe er sich durchaus nützlich gemacht, unter anderem als wichtiger Beobachter für Zar Alexander.

Später begleitet er diesen nach Paris und London, unter anderem, um den Wiener Kongress vorzubereiten. Kurzum: Paul Friedrich August nutzt die Zeit, arbeitet, sammelt Erfahrungen – auch wenn er es ob seiner Stellung nicht müsste.

Nach einer kurzen Rückkehr nach Oldenburg kehrt er ins estnische Reval, das heutige Tallin, zurück. Hier fand er den Auftrag des Zaren zu einer Agrarreform für Estland nebst Aufhebung der Leibeigenschaft vor. „Eigentlich war alles Wesentliche bereits zwischen Zar Alexander und dem Adel ausgehandelt. Dennoch machte sich Paul Friedrich August an die Arbeit und änderte rund 400 Paragraphen“, berichtet Bernd Müller.

Seine Arbeit wollte er Alexander unbedingt vorstellen, auch wenn sein Vater ihn drängte, nach Oldenburg zurückzukehren. Doch der Zar weilte auf dem Wiener Kongress. Erst als der Regent zurückgekehrt, die Arbeit für gut befunden und die Reform erlassen worden war, reiste Paul Friedrich August zurück nach Oldenburg.

Damit endet das Buch von Bernd Müller. „Es sind die Lehrjahre und die Zeit der Emanzipation vom Vater, die diese Phase im Leben von Paul Friedrich August kennzeichnen. Bernd Müller hat diese sachlich, kritisch und scharfsinnig analysiert, dabei jedoch nicht die nötige Empathie für den Protagonisten vernachlässigt“, sagt Rudolf Holbach. Das Buch ermöglicht auf 90 Seiten einen Blick auf die Entwicklung der Persönlichkeit und das des Wirkens des späteren Großherzogs.

Das neue Buch ist als Band 31 der „Oldenburger Forschungen – Neue Folge“, herausgegeben im Auftrag des Oldenburger Landesvereins, im Oldenburger Isensee Verlag erschienen und überall im Buchhandel erhältlich. Mehr über die Reihe unter www.oldenburger-landesverein.de.

Quelle: Huntereport

Ein Erbprinz in Russland

Oldenburger Historiker und Buchautor Bernd Müller hat bislang unbearbeitete Quellen erforscht

Dr. Bernd Müller (rechts) stellte mit Prof. Dr. Rudolf Holbach und Caroline, königliche Hoheit von Oldenburg, sein neues Buch vor. Bild: Zempel-Bley

Erneut hat der Oldenburger Historiker Dr. Bernd Müller ein weiteres Buch über das Haus Oldenburg vorgelegt. In seinem jüngst vorgestellten Buch „Erbprinz Paul Friedrich August von Holstein-Oldenburg in Russland 1811 – 1816“ geht es um die Tätigkeiten des Erbprinzen in Russland.

„Ein Thema, das bislang in der Forschung noch keine Beachtung gefunden hat“, sagt Prof. Dr. Rudolf Holbach vom Landesverein Oldenburg, der das Buch herausgegeben hat. Dabei ist die Forschungsgrundlage gut, wie der Autor bestätigt. Seine Untersuchung gründet auf der wissenschaftlichen Auswertung der Originalquellen aus den Jahren 1811 bis 1813, die vor allem im Niedersächsischen Staatsarchiv Oldenburg vorliegen. Allerdings in französischer Sprache.

Bernd Müller hat einen besonderen Werdegang. Der 72-Jährige hat es in seinem Berufsleben bis zum Brigadegeneral gebracht. Nach seiner Pensionierung nahm er unverzüglich ein Geschichtsstudium an der Universität Oldenburg auf. Er machte seinen Magister und entschloss sich danach zu einer Promotion. „Ich suchte ein Thema, womit sich noch niemand befasst hat“, erzählt er. Im Staatsarchiv bot man ihm daraufhin Militärakten an, doch davon hatte er genug. Dann kam schnell die Sprache auf das Haus Oldenburg, für das er Feuer fing. So schloss er seine Promotion ab, forschte weiter und ist inzwischen Lehrbeauftragter für Geschichte an der Universität Oldenburg.

Über den Erbprinz Paul Friedrich August gibt es keine Biografie, obwohl die Unterlagen in Oldenburg persönliche Akten Augusts aus Russland und den Briefwechsel mit dem Vater des Erbprinzen, Herzog Peter Friedrich Ludwig, enthalten. Aber eben in französischer Sprache. Genau die beherrscht Bernd Müller. Der Autor hat sich mit dem Erbprinz in der Zeit des Exils in Russland befasst. Paul Friedrich August folgte während der französischen Annexion des Oldenburger Landes seinem Vater Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg ins Exil nach Russland.

Dort wirkte er im russischen Hauptquartier als Generalleutnant bis zur Verbannung Napoleons und kehrte nach einer Zwischenetappe beim Wiederaufbau des Herzogtums Oldenburg für weitere zwei Jahre nach Russland zurück. Zar Alexander I. berief ihn zum Generalgouverneur von Estland, wo er eine Agrarreform durchsetzte, die die Aufhebung der Leibeigenschaft estländischer Bauern zum Ziel hatte.

„Die erhaltene Korrespondenz und weitere Archivalien erlaubten mir eine Rekonstruktion dieses Geschichtsabschnitts und ermöglichten einen Blick auf die Entwicklung der Persönlichkeit und des Wirkens von Paul Friedrich August“, sagt Bernd Müller. Der Erbprinz erlebt in seinen Lehrjahren so etwas wie eine Selbstfindung, kann sich von seinem Vater emanzipieren. Den Erbprinz, der später von 1829 bis 1853 das Großherzogtum Oldenburg regierte, bezeichnet Müller als „gutmütigen Herrn, der sich in Russland nützlich machte, aber nicht wirklich eine Rolle spielte“.

Das Buch schließt eine Lücke in der vorhandenen Historiografie. Es wird nicht das letzte sein, denn die Quellenlage ist gut und Bernd Müller sagt von sich: „Ich will meine Finger auf Papier legen, das damals beschrieben wurde.“ Wann sein nächstes Werk erscheint, weiß er noch nicht. Aber es wird ein weiteres geben, da ist er sicher.

Quelle: Kreiszeitung Wesermarsch

Oldenburger Forschungen, Band 30

Auf Spurensuche mit Bagger und Pinsel

Oldenburger Forschungen Band 30 Titelbild

Archäologie hat Geschichte in Oldenburg – und macht Geschichte. Seit etwa 1960 werden regelmäßig Grabungen im ganzen Gebiet der Stadt durchgeführt, mit Schwerpunkt in der historischen Altstadt. Die unterschiedlichen Dokumentationen führen wie bei einem Puzzle mit hunderten von Teilen nach und nach zu einem immer vollständigeren Bild der Stadtgeschichte. So konnte archäologisch nachgewiesen werden, dass die Anfänge der mittelalterlichen Stadt um Jahrhunderte älter sind als die ersten schriftlichen Aufzeichnungen. Ausgrabungen belegen die Wasserversorgung, Ernährung oder Wohnformen der früheren Oldenburger und beleuchten diejenigen Aspekte des täglichen Lebens, die schriftlich nicht überliefert sind. Aber auch vor dem Beginn der Stadt Oldenburg haben Menschen das Gebiet besiedelt; die ältesten Funde hier stammen aus der mittleren Steinzeit. Spektakuläre Einzelfunde wie die Goldscheibenfibel von Wechloy sind in Oldenburg ebenso zu finden wie gängige Befunde aus der Jungsteinzeit.

In 13 Beiträgen gibt dieser Band einen Einblick in die Methoden der Archäologie und die interessantesten Grabungen der Stadt. Dabei wird deutlich, dass erst in der Zusammenschau jahrzehntelanger Grabungen ein realistisches Bild der (Vor)Geschichte Oldenburgs entsteht, das viel konkreter und detailreicher ist, als aus den schriftlichen Quellen alleine ablesbar wäre.

Bericht in der Neuen Osnabrücker Zeitung

"Geschichte für Laien

Oldenburg: Archäologin setzt auf Verständlichkeit

Oldenburg. Ihre Erkenntnisse aus Dokumentationen verschiedener Grabungsstellen haben Studenten in einem Buch zusammengetragen. Auf eine Wissenschaftssprache haben sie dabei verzichtet.

Als Bezirksarchäologin Jana Esther Fries als Dozentin mit einem Kurs begann, ein Buch über archäologische Ausgrabungen in Oldenburg zusammenzustellen, und dabei statt wissenschaftlicher Komplexität lieber auf Verständlichkeit Wert legen wollte, stieß sie auf Hindernisse: „In Oldenburg wird das wissenschaftliche Schreiben offenbar stark gelehrt“, sagte Fries. „Es war ein Kampf, den Studierenden zu vermitteln, sie müssten hier nicht alles belegen.“ Aber sie schaffte es, und jetzt ist „Auf Spurensuche mit Bagger und Pinsel“ herausgekommen. In 13 Beiträgen berichten Geschichtsstudenten von Grabungen in der Innenstadt, Oldenburgs „Alder Burg“, dass die Römer hier waren und selbstlosen Juwelieren.

Die spärlich benutzten Fachausdrücke in dem 140-Seiten-Werk werden in einem achtseitigen, verständlichen Glossar erklärt. Über den Unterschied zwischen „Fund“ und „Befund“, zentrale archäologische Fachbegriffe, aber klärt Fries schon im Vorwort auf. Das macht das Lesen über die „Wechloyer Goldscheibenfibel“ leichter: eine Art Brosche, die 1977 ein 18-jähriger in einem gerade ausgebaggerten Graben fand. Der aufgesuchte Juwelier brauchte nicht lange, um die sensationelle Bedeutung des „Fundes“ zu erkennen, und schickte den Jugendlichen ins Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Ein „Befund“ dagegen – durch Menschen hervorgerufene Veränderungen im Boden wie Mauern, Gruben oder Brandspuren – kann nicht einfach so ins Museum getragen werden. Als 2007 an der Baustelle des Ikea-Marktes Spuren einer 900 Jahre alten Siedlung entdeckt wurden, handelte es sich hierbei hauptsächlich um Befunde.

Ein typisch archäologisches „10000-Teile-Puzzle“ zeigte sich den Grabern 1989/90, als vor dem Bau der innerstädtischen Lambertihöfe auf 2000 Quadratmetern sogenannte Rettungsgrabungen stattfanden, um die Zeugnisse der Vergangenheit rechtzeitig vor den Baggeraktivitäten zu erkunden: Einen Haufen Scherben und sogar vollständig erhaltene Gefäße aus sieben Jahrhunderten fanden die Forscher. Und vor allem erkenntnisreiche Essensreste aus alten Kloaken. „Beste Reste“, heißt es im Buch: Im Markthallenviertel wohnte Oldenburgs Oberschicht. Der Fundreichtum ist immer noch nicht vollständig untersucht.

Viele Inhalte sind so das erste Mal veröffentlicht worden. Selten langatmig und mindestens ein schönes Nachschlagewerk: „Auf Spurensuche mit Bagger und Pinsel“ ist im Isensee-Verlag erschienen und kostet 12,80 Euro."

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung

Artikel in der Kreiszeitung Wesermarsch

Puzzles der Stadtgeschichte

Oldenburger Studenten legen Buch über archäologische Ausgrabungen in der Huntestadt vor

von Katrin Zempel-Bley

"Auf Spurensuche mit Bagger und Pinsel - Archäologische Ausgrabungen in Oldenburg" heißt der 30.Band der Oldenburger Forschungen, der vom Landesverein und der Bezirksarchäologin Jana Esther Fries herausgegeben worden ist. Darin richten 13 Geschichtsstudenten und ihre Lehrbeauftragte ihren Blick in Oldenburgs Geschichte und berichten über archäologische Ausgrabungen in der Huntestadt.

Herausgekommen ist ein 140 Seiten umfassendes Buch mit verschiedenen Ausflügen in die Welt der Archäologie, und zwar gut lesbar, leicht verständlich und zudem sehr interessant. Denn jeder Aufsatz bringt andere Details ans Licht wie ein Puzzle mit vielen Teilen ergibt, sodass am Ende ein umfangreiches Bild der Stadtgeschichte ergibt und der Leser die Stadt mit anderen Augen sieht.

Fries schlug den Studenten eine ganze Liste mit Themen zur Bearbeitung vor und ahnte nicht, welche Arbeit auf die Gruppe zukommen würde. Mit Hilfe von Dokumentationen verschiedener Oldenburger Grabungsstellen konnten sie ihre Erkenntnisse zusammentragen, aufarbeiten, ihre Schlüsse daraus ziehen und ihre Ergebnisse jetzt der Öffentlichkeit präsentieren.

"Ohne die Studierenden hätte es ein solches Buch nicht gegeben", sagt Reinhard Rittner, Vorsitzender des Landesvereins für Geschichte, Natur- und Heimatkunde.

Lange Vorbereitung

Zwei Semester waren für diese Arbeit vorgesehen, doch bis das Buch druckfrisch auf dem Tisch lag, ist noch ein weiteres Jahr ins Land gegangen. "Die Aufsätze waren zwar geschrieben, aber um sie druckreif zu machen, hat die Gruppe noch einmal intensiv Hand angelegt", berichtet Jana Esther Fries. Fotos und Karten wurden beschafft und angeordnet. Am Ende legten sie ein Buch vor, in dem das Mittelalter und die frühe Neuzeit die Schwerpunkte bilden.

So berichten sie beispielsweise über Bestattungsriten der jungsteinzeitlichen Oldenburger sowie der Oldenburger Oberschicht und versuchen, hinter das Geheimnis der 1977 in Wechloy entdeckten Goldscheibenfibel zu kommen. Wie konnte das Schmuckstück, das vermutlich im 9. Jahrhundert in Italien gefertigt wurde, in einem Oldenburger Graben landen?

Für beide Seiten, Studenten und Dozentin, kann eine solches Projekt anstrengend sein und doch viel Spaß machen", fasst Jana Esther Fries zusammen, die von den Studenten, deren Motivation sowie Durchhaltevermögen beeindruckt war.

"Immerhin kommen die Teilnehmer aus einer anderen wissenschaftlichen Disziplin und hatten bisher wenig mit den Methoden und Fachbegriffen der Archäologie zu tun", räumt sie ein. Doch Jana Esther Fries hat einen Weg gefunden, auch Neulinge an die Archäologie heranzuführen. "Das Konkrete und Handfeste, zum Beispiel einen Feuerstein zu schlagen, erklärt die Dinge immer noch am besten."

Seniorstudent Thomas Fischer, der hauptberuflich Lehrer war und an dem Seminar teilgenommen hat, zeigte sich begeistert von der Zusammenarbeit mit den jungen Studenten. Die konnten bei der Präsentation nicht dabei sein, weil sie schon wieder mit neuen Studienaufgaben befasst sind.

Quelle: Kreisblatt Wesermarsch

Oldenburger Forschungen, Band 29

Dr. Franz Joseph Jacobi

Oldenburger Forschungen Band 29 Titelbild

Ein Amtsmedicus jüdischer Herkunft im Fürstbistum Münster

Zugleich ein Beitrag zur Medizingeschichte des Amtes Vechta

Im August 1756 trat ein junger Jude, der als Sohn eines Wanderlehrers in Polen geboren und in Potsdam aufgewachsen war, in Münster zum katholischen Glauben über. Von führenden Persönlichkeiten des Fürstbistums Münster gefördert, konnte Franz Joseph Jacobi, wie sein neuer Name lautete, in Groningen undWien Medizin studieren und in Erlangen promovieren. 1772 erhielt er die Stelle eines Amtsmedicus im Amt Vechta, wo er in den folgenden vier Jahrzehnten die Verantwortung für das öffentliche Gesundheitswesen trug. Am Anfang seiner Berufstätigkeit war er der einzige akademisch ausgebildete Arzt im ganzen Amtsbezirk. Seit 1785 in kinderloser Ehe mit einer Adelstochter aus dem Oberstift Münster verheiratet und seit 1788 Besitzer eines Burgmannshofes in Vechta, brachte er es zu großem beruflichem Ansehen. Er starb 1816 als einer der wohlhabendsten Einwohner des Amtes Vechta. Gemäß seinem Testament floss der Großteil seines Vermögens in eine Stiftung zugunsten der öffentlichen Schulen in Dinklage und in Quakenbrück. Trotz seiner regionalen Verdienste um die Modernisierung der Gesundheitsvorsorge und um die Schulbildung geriet Dr. Jacobi nach seinem Tod vollständig in Vergessenheit. In der vorliegenden Arbeit wird anhand weit verstreuter Quellen in niedersächsischen und westfälischen Archiven erstmals den Spuren dieses spannungsreichen Lebens nachgegangen.

Oldenburger Forschungen, Band 28

Christen – Pastoren – Bischöfe in der evangelischen Kirche Oldenburgs im 20. Jahrhundert

Oldenburger Forschungen Band 28 Titelbild

312 Seiten, 111 sw-Abbildungen, brosch., 2013, 19,80 €

ISBN 978-3-89995-998-7

Wer sich über leitende Theologen und Juristen in Oldenburgs evangelischer Kirche kundig machen will, etwa über Heinrich Tilemann und Wilhelm Flor vor dem Zweiten Weltkrieg oder über Wilhelm Stählin und Hermann Ehlers in der Nachkriegszeit, findet hier dank neu erschlossener Quellen Analysen zu Personen und Konzepten – und was daraus geworden ist.

Auch für einzelne Kirchengemeinden und Pastorenschicksale werden neue Belege vorgelegt und ausgewertet. Paul Schipper in Delmenhorst und Hermann Buck in Oldenburg und Wangerooge trotzten der Herrschaft der Deutschen

Christen und damit des Nationalsozialismus, während Reichsbischof Ludwig Müller die Unabhängigkeit des Christentums gegenüber Politik und Gesellschaft verspielte. Karl Jaspers und Rudolf Bultmann, die bedeutendsten Gelehrten aus der Region, nahmen aufmerksam teil an der kirchlichen Entwicklung im Oldenburger Land.

In zwölf biografischen Studien wird so die Zeitgeschichte lebendig, um bei der Suche nach der Zukunft die Orientierung zu behalten.

Rezension von Dr. Tim Unger, Pfarrer in Wiefelstede:

In der historischen Forschung der letzten Jahrzehnte lässt sich eine Hinwendung zu strukturellen Fragen und wiederum eine leise Gegenbewegung zu personengeschichtlichen Darstellungen feststellen. Das ist auch in der Kirchengeschichte nicht unberücksichtigt geblieben. Der Öffnung gegenüber sozial und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen, die weiter ihre Evidenz behalten, folgten gerade in letzter Zeit die Renaissance z.B. großer Luther-Biographien und ein verstärktes Interesse an der Biographie bedeutender Theologen des 20. Jahrhunderts (z.B. Paul Althaus und Rudolf Bultmann).

Für die kirchliche Zeitgeschichtsforschung des Oldenburger Landes hat Reinhard Rittner im Laufe von über 20 Jahren bedeutende Beiträge in Fachzeitschriften, Sammelbänden und Festschriften geliefert, die sich vor allem der Personengeschichte widmen, diese jedoch stets in die gesellschafts- und kirchenpolitischen Rahmenbedingungen der Zeit stellen. So gelingt es Rittner beispielsweise in seiner Darstellung kirchlicher Äußerungen über den Selbstmord zwischen 1860 und 1932, die Initiativen einzelner Institutionen wie der Kreissynode Varel und des Oldenburger Kriegerbundes oder von Pfarrern wie Hans Rühe darzustellen, die zu einer differenzierten Betrachtung des Suizids weg von einer ethischen zu einer seelsorgerlichen Beurteilung führten. Auf der anderen Seite öffnet der Autor aber auch den Blick für die heutige seelsorgerliche Situation (S. 92): „Sollte daher der diakonisch-seelsorgerliche Dienst der Kirche an den Angefochtenen nicht der angemessene Ausdruck des befreienden Evangeliums sein?“

Ein Schwerpunkt der kirchengeschichtlichen Arbeit Rittners ist und bleibt der Kirchenkampf, auch mit seiner Vor- und Nachgeschichte. „Religion, Kirche und Gesellschaft in der Stadt Oldenburg um1930“ ist ein Aufsatz überschrieben, in dem er die Gemeindearbeit in der schon damals mit 30.000 Gemeindegliedern größten Kirchengemeinde des Oldenburger Landes darstellt. Bereits die Wahlen zum Kirchenrat 1930 sind stark politisiert. 1932 zeigt die Agitation der nationalsozialistischen Landesregierung gegen einen Vortrag des Togoer Pastors Robert Stephen Kwami in der Lambertikirche, dass die völkische Rassenlehre einem Christentum gegenüberstand, das nationale Grenzen überschreitet. Für den Kirchenkampf bietet der vorliegende Band lokale Fallstudien an Hand der Stadt Delmenhorst und der Gemeinde Rastede. Dazu kommen biographische Studien zu Paul Schipper, einem Pastor der Bekennenden Kirche in Delmenhorst, der 1939 Berufsverbot erhielt und in die Wehrmacht einberufen wurde, aus deren Kriegseinsatz er nicht mehr zurückkehren sollte, oder zu Hermann Buck, der aus Oldenburg nach Wangerooge versetzt wurde und dort sein „Purgatorium“ (Fegefeuer) erlebte: Der Großteil der Kirchengemeinde stand gegen den Pastor, der sich von Einschüchterungsversuchen der NSDAP-Gauleitung nicht beirren ließ, aber in den 1930er Jahren den Kirchenaustritt eines Viertels seiner Gemeindeglieder erleben musste. Auch andere oldenburgische Pastoren ließen sich von der nationalsozialistischen Ideologie und der völkischen Theologie der Deutschen Christen nicht beeindrucken. Einer der wenigen Theologen, die der Durchsetzung des Arierparagraphen in der Kirche widersprachen, war der in Wiefelstede geborene Marburger Neutestamentler Rudolf Bultmann. Rittner, der die Aufstellung der Bultmann-Büste in den Oldenburger Wallanlagen maßgeblich mit initiiert hat, schildert die Beziehungen Bultmanns in seine Heimat, das Oldenburger Land: Der Ahlhorner Pastor Hans Roth stand in regem Austausch mit Bultmann und regte dessen wichtigen, jedem evangelischen Theologen bekannten Vortrag und Aufsatz „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?“ an. Auch Wilhelm Flor, zeitweise nebenamtliches juristisches Mitglied des Oberkirchenrates und seit 1933 Reichsgerichtsrat in Leipzig, wird in seiner Bedeutung für die Bekennende Kirche dargestellt. Für Flor, der nicht im kirchlichen Dienst stand, war die Mitarbeit in der Bekennenden Kirche ein großes berufliches Risiko. Hier benennt Rittner ein Desiderat der Erforschung des Kirchenkampfes: „Der entscheidende Vertreter im Rechtskampf der Bekennenden Kirche in der NS-Herrschaft hätte eine eingehendere Darstellung verdient.“

In die Zeit nach dem Kirchenkampf weist der Vortrag und Aufsatz über „Personen, Mentalitäten und Konzepte im kirchlichen Nachkriegsoldenburg“. Rittner beleuchtet den Neuanfang in der Kirche nach dem staatlichen Zusammenbruch, die Vorbereitungen zu einer neuen Gemeindewahlordnung und die Bischofskrise 1952, als die Rechtmäßigkeit der Wahl Prof. Dr. Wilhelm Hahns zum oldenburgischen Bischof angezweifelt wurde, was zum Verzicht des späteren baden-württembergischen Kultusministers führte.

Mit dem Band werden nicht nur wichtige Aufsätze zur regionalen Kirchengeschichtsforschung noch einmal zugänglich gemacht. Die Beiträge bilden auch Ergänzungen zum entsprechenden Kapitel, das der Autor in der Oldenburgischen Kirchengeschichte bearbeitet hat. Rittner reflektiert selbst die Bedeutung seiner vor allem biographischen Beiträge (S. 234): „Das evangelische Christentum weiß um die Erfahrung der Unverfügbarkeit und ihre Spuren in den Lebensgeschichten. Manche Biographien haben Leitbildcharakter.“ Obwohl Aufsatzband, handelt es sich bei den Beiträgen nicht einfach um zufällige Ausschnitte. Dem Leser bietet sich ein weites Feld an Einblicken und kritischer Würdigung der jüngeren kirchlichen Geschichte. Gleichzeitig können Lesefrüchte geerntet werden, die bis in die heutige kirchliche und gesellschaftspolitische Debatte weisen. Der Oldenburger Seminardirektor Karl Willich formulierte 1852 einen Satz, der Ernst-Wolfgang Böckenfördes Diktum von 1967 vorwegnimmt (S. 163): „Der Staat muß bei seinen Bürgern auf Kräfte und Antriebe rechnen können, die er seiner Natur nach nicht selbst erzeugen kann.“

Quelle: Oldenburger Jahrbuch 114, 2014, S. 206 f.

Rezension von Prof. Dr. Konrad Hammann, Kirchenhistoriker in Münster

Der Autor dieses Buches, Reinhard Rittner, war viele Jahre als Pfar­rer für theologische Arbeit im Evangelisch-lutherischen Oberkir­chenrat Oldenburgs tätig. Mit der vorliegenden Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen ergänzt und vertieft R. den Beitrag über die evangelische Kirche im 20. Jh., den er zu der von Rolf Schäfer herausgegebenen, 2005 in zweiter Auflage erschienenen "Oldenburgischen Kirchengeschichte" beigesteuert hat. Die in gut zwei Jahrzehnten entstandenen Einzelstudien sind in dem anzuzeigen­den Sammelband in der chronologischen Reihenfolge ihres ersten Erscheinens angeordnet.

Der Titel des Buches könnte den Eindruck erwecken, als ginge es in ihm vornehmlich um personenbezogene Zugänge zur olden­burgischen Kirchengeschichte im 20. Jh. Dies ist durchaus auch der Fall. Jedoch ist R., wie schon seine einleitenden Bemerkungen zu den Gegenständen des Bandes zeigen (13-18), mit den metho­dischen Standards der kirchlichen Zeitgeschichtsschreibung bes­tens vertraut, so dass er mit dem personenorientierten Ansatz - je nach Thema - auch institutionen-, mentalitäts- oder sozialge­schichtliche Perspektiven zu verbinden versteht.

Die Wahrnehmung der Phänomene unter unterschiedlichen Gesichtspunkten bewährt sich exemplarisch an der instruktiven Aufarbeitung des Umgangs mit dem Suizid in der oldenburgischen Kirche zwischen 1860 und 1932. Deutlich wird neben einem proble­matischen Dogmatismus in dieser Frage doch durchaus das Bemü­hen vieler, dem kirchlichen Verkündigungsauftrag und zugleich auch humanen, sozialen und seelsorgerlichen Belangen gerecht zu werden (69-95). Auf die große Theologiegeschichte hin öffnet R. die territoriale Kirchengeschichte sodann mit zwei Beiträgen zu Rudolf Bultmann. Erinnert wird einmal das Verhältnis des großen Marburger Theologen zu seinem Schüler Hans Roth, das gewisser­maßen den äußeren Entstehungskontext von Bultmanns bedeu­tendem Vortrag bzw. Aufsatz "Welchen Sinn hat es, von Gott zureden?" bildete (97-119). Vergegenwärtigt werden zum anderen Bultmanns lebenslange Beziehungen zu seiner oldenburgischen Heimat anhand seiner Freundschaft mit dem jüdischen Schulka­meraden Leonhard Frank aus Westerstede, wieder des Austausches mit Hans Roth, des Entmythologisierungsprogramms, des Streites um die konfessionelle Ausrichtung des Religionsunterrichts nach 1945 sowie der 2002 in Oldenburg aufgestellten Bultmann-Büste von Michael Mohns (279-300).

Zwei Beiträge weisen über sich hinaus auf die Zeit des Dritten Reiches. R. zeigt in einer Studie zur Tätigkeit des späteren Reichs­bischofs Ludwig Müller als Marinepfarrer und -oberpfarrer in Wil­helmshaven 1914-1926 detailliert auf, wie dessen nationalreligiöses Denken maßgeblich durch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs geprägt war (215-234). Eine kirchenkundliche Miniatur von "Reli­gion, Kirche und Gesellschaft in der Stadt Oldenburg um 1930" bie­tet einen instruktiven Einblick in die erkennbar divergierenden Positionen, die man in der Kirchengemeinde Oldenburg bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Zeit sowie der Kri­se der Weimarer Parteiendemokratie bezog (145-166).

Ein Schwerpunkt des ganzen Bandes liegt auf dem "Kirchenkampf" in Oldenburg. Den in der Kirchlichen Zeitgeschichte wie­derholt problematisierten Begriff des Kirchenkampfes verwendet R., wohl wissend um die mit ihm verbundenen Schwierigkeiten, aus pragmatischen Gründen und unter Verweis auf die lokalen Gegebenheiten weiterhin (15 f.235 f.). Exemplarisch nimmt er zu­nächst die Auseinandersetzungen in Delmenhorst in den Blick, deren Opfer der Pastor Paul Schipper wurde - der deutschchristlich dominierte Oberkirchenrat versetzte ihn 1939 in den einstweiligen Ruhestand (19-51). In Rastede spiegelte sich der die oldenburgische Landeskirche auch sonst beherrschende Gegensatz zwischen den Deutschen Christen und der Bekenntnisgemeinde paradigmatisch wider. Freilich verliefen die Fronten hier wie anderenorts längst nicht so eindeutig, wie spätere Kirchenkampflegenden es glauben machen wollten (235-254). Dies wird in spezifischer Weise auch an dem Juristen Wilhelm Flor deutlich, der nebenamtlich Mitglied des Oldenburger Oberkirchenrats war und später als Reichsgerichtsrat von Leipzig aus die Bekennende Kirche, nach deren Spaltung 1936 die gemäßigte lutherische Richtung, durch juristische Gutachten unterstützte. Dieses öffentliche kirchliche Engagement wurde Flor 1937 durch das Reichsjustizministerium untersagt (121-144). Ein weiteres Porträt zeichnet R. von dem Pfarrer und Kir­chenrat Hermann Buck, der mit seinem kompromisslosen Einsatz für das lutherische Bekenntnis und die Unabhängigkeit der kirch­lichen Arbeit in Oldenburg und auf Wangerooge unter den restrik­tiven Bedingungen der NS-Diktatur ein Beispiel der Zivilcourage gab (167-194).

Die innerkirchliche Aufarbeitung der Erfahrungen aus dem Dritten Reich, wie sie sich nach 1945 vollzog, weist manche Ambi­valenzen auf, was R. anhand einiger Zwangsversetzungen von be­lasteten Pfarrern in der Oldenburger Kirche aufzeigt (53-67). Die Frage, welche Richtung die Oldenburgische Landeskirche in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg einschlagen sollte, war im Übri­gen lange offen. Personal- und Verfassungsfragen, theologische Ori­entierung und das Verhältnis der Kirche zur Gesellschaft wurden kontrovers diskutiert. Der Oldenburger "Bischofsstreit" 1952/53, zu dem R. hoffentlich noch in naher Zukunft eine geplante monographische Untersuchung vorlegen wird, machte dies sichtbar (195-214).

Der Aufsatzband ist reich bebildert. Abbildungen der behandelten Akteure und etlicher Kirchengebäude sowie die Wiedergabe von wichtigen Dokumenten illustrieren die vorgelegten Texte ein­drucksvoll. Dies gilt zumal für die von Achim Knöfel mitverfasste Studie über das Wirken des Kirchenmalers Hermann Oetken, der in zahlreichen Oldenburger Kirchengemeinden seine künstlerischen Spuren hinterlassen hat (255-278). R. hat es verstanden, die lokale und territoriale Kirchengeschichte Oldenburgs im 20. Jh. im Lich­te der allgemeinen historischen, kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen aufzuhellen. Wo er die rekonstru­ierten Befunde kommentiert und beurteilt, tut er dies mit Umsicht und dem durchgängigen Bemühen um historische Gerechtigkeit. Der von Rolf Schäfer mit einem Geleitwort versehene Band ist über­ dies sehr leserfreundlich eingerichtet. Ein Abkürzungsverzeichnis, Nachweise der Abbildungen und der Orte der Erstveröffentlichung der Aufsätze sowie Register der Namen, Orte und Sachen erschlie­ßen das Buch in vorbildlicher Weise.

Quelle: Theologische Literaturzeitung, Heft 6/2015

Rezension von Prof. Dr. Hans Otte, Leitender Archiv- und Bibliotheksdirektor i. R., Hannover

In der erstmals 1999 erschienenen und 2005 erneut veröffentlichten Oldenburgischen Kirchengeschichte hat Reinhard Rittner den Abschnitt über die Evangelische Kirche im 20. Jahrhundert geschrieben. Sie fasst seine Arbeiten zu diesem thematischen Umfeld zusammen und unterfüttert die naturgemäß knappere Darstellung in der „Kirchengeschichte“ durch Beispiele; gleichzeitig ergänzt sie das Bild durch die Interpretation neu gefundener Quellen und präzisiert in kluger Weise das theologische Urteil. Der Außenumschlag, der Porträts der im Buch dargestellten Personen zeigt, macht deutlich, dass der Vf. ein Freund der Biographik ist. Beschrieben werden prägende Persönlichkeiten der oldenburgischen Kirchengeschichte aus der Zeit zwischen 1930 und 1950: Unter ihnen der Delmenhorster Pfarrer Paul Schipper (1904-1945) und der Oldenburger bzw. Wangerooger Pfarrer Hermann Buck (1872-1954) als Vertreter einer bekennenden Kirche“, die sich dem Nationalsozialismus verweigerten und durch die deutsch-christliche Kirchenleitung schwere Sanktionen in Kauf nahmen; als Kirchenjurist ‚im Nebenamt‘ Wilhelm Flor (1882-1938), der von Leipzig aus als Reichsgerichtsrat den Oldenburger Kirchenkampf kritisch begleitete und den Anhängern der Bekennenden Kirche immer wieder juristisch klug unterfütterte Ratschläge zur Klärung ihres Widerstands gab. Skizziert wird auch die Persönlichkeit des Reichsbischofs Ludwig Müller (1883-1945), der sich 1919/20 um ein Oldenburger Pfarramt bewarb, wenig später als Marinepfarrer nach Wilhelmshaven wechselte und dann über die Station Königsberg nach Berlin in das Amt des Reichsbischofs wechselte. Als Theologe gilt Müller gemeinhin als uninteressant, doch dem Vf. gelingt es, die theologische und politische Weltsicht Müllers deutlich zu machen: seine Orientierung an der Kriegsmarine als Wertegemeinschaft, die Benutzung religiöser und christlicher Motive, um politischer Ziele willen. Diese Form christlich verbrämter politischer Predigt vergleicht der Vf. mit einer Predigt von Heinrich Tilemann (1877-1956), dem Präsidenten des Oberkirchenrats von 1920 bis 1934, dem es in einer Predigt aus ähnlichem Anlass gelingt, den theologischen Eigensinn seines Predigttextes bewahren, so dass der Kern der christlichen Botschaft erkennbar bleibt. Dabei reflektiert der Vf. sorgsam den theologischen und historiographischen Zusammenhang, in dem seine Protagonisten wirkten. Er scheut auch nicht klare Urteile, sie sind in der Regel nüchtern, aber wohlbedacht. An mehreren Beispielen – vornehmlich an Beispielen aus Delmenhorst und Rastede – macht er deutlich, dass der Begriff ‚Kirchenkampf‘, der in den letzten Jahren mit guten Argumenten als wichtigste Deutungskategorie für die Beschreibung des kirchlichen Auseinandersetzungen in der NS-Zeit und das Verhältnis zum NS-Staat abgelehnt wurde, auf der lokalen Ebene seine heuristische Kraft behalten kann. Leitet ihn hier die historiographische Frage nach der Begrifflichkeiten, so wird auch an vielen Stellen das ihn leitende theologisches Interesse deutlich. Die Theologie muss sich auf die jeweilige Zeit und ihren Geist einlassen, aber sie darf sich davon nicht überwältigen lassen. Das gilt für die Gemeindepfarrer, die Kirchenleitung, aber auch für die Kirchenvorstände (Kirchenräte). Dieses Problem diskutiert er auch anhand der Frage nach dem Verhältnis von Volkskirche und evangelischer Identität. Für eine lange Zeit galten beide Größen unbefragt als deckungsgleich; dies prägte das theologische Profil der oldenburgischen Kirche. Erst durch die theologische und kirchliche Krise in den Jahren der NS-Herrschaft wurde deutlich, dass beide Größen nur teilweise übereinstimmen können. Dies war ein schmerzhafter Lernprozess; bei der Suche nach einer Neubestimmung dieses Verhältnisses gab es Irrwege, nicht nur bei den Deutschen Christen Oldenburgs, sondern auch bei Anhängern der Bekennenden Kirche und eben auch bei den Anhängern der liturgischen Bewegung (Erich Hoyer [1880-1943], deren Interesse an der Wiedergewinnung einer bewussten Kirchlichkeit er würdigt, aber in ihrer begrenzten Reichweite doch als unzureichend beurteilt. Diesen Fragen werden nicht nur am Beispiel von Biographien, sondern auch anhand an Sachthemen untersucht: So schildert er, eingeleitet durch Überlegungen zum zeitgeschichtlichen, methodischen und dogmatischen Zusammenhang unter der Frage „Neuanfang durch Zwangsversetzungen?“sorgsam den Umgang der Oldenburger Kirchenleitung nach 1945 mit den Pfarrern, die als Nazis oder Deutsche Christen schwer belastet waren. Es wird deutlich, dass die meisten von ihnen zügig versetzt wurden, so dass ihnen und ihren bisherigen Kirchengemeinden ein Neuanfang ermöglicht wurde, dennoch muss offen bleiben, in welchem Maße der mögliche Neuanfang von den betroffenen Pfarrern auch theologisch verarbeitet wurde. Unter der Hand – und das macht die Lektüre besonders reizvoll – entwickelt der Vf. theologische Kriterien für den Umgang mit den vielfältigen, kulturellen und politischen Herausforderungen der Moderne. In gleicher Weise untersucht er die Oldenburger Diskussion über die kirchliche Mitwirkung bei der Beerdigung von Selbstmördern, die hier zwischen 1860 und 1932 geführt wurde. Der Vf. beschränkt sich nicht auf die Wiederholung der seinerzeit eingenommenen Positionen; anders als die Beteiligten damals differenziert er genauer, so dass deutlich wird, dass sich die Geistlichen bei der Beerdigung von Selbstmördern unterschiedliche Anforderungen gegenüber sahen: dem Interesse an Erhalt der Kirchenzucht und der Verhinderung weiterer Selbstmorde, dem seelsorgerlichen Dienst an den Angehörigen, die durch den Selbstmord schon belastet waren, aber auch dem Anspruch auf Wahrheit bei den Beerdigungsansprachen. Am Ende resümiert Rittner unter Aufnahme liberaler Traditionen: „Da zum religiösen Ursprung des christlichen Glaubens die Erfahrung des gewährten Lebens gehört, ist der Blick auf das Lebensende keine Angelegenheit von Vorschriften, sondern von Vertrauen. Das muß in freier innerer Entscheidung angeeignet werden.“ (S. 92). Angesichts der hier zu erkennenden theologischen Position ist verständlich, dass am Schluss des Buchs ein Beitrag zu Rudolf Bultmanns Verbindungen zum Oldenburger Land steht. Ihn präsentiert der Vf. als selbstbewussten Oldenburger, der die liberalen Traditionen Oldenburgs aufnahm und kontinuierlich die Oldenburger Kontroversen begleitete und kommentierte. Dazu gehörte nicht nur die Ablehnung des Begriffs der „Evangelischen Unterweisung“, die im Oldenburger Oberkirchenrat Edo Osterloh einen energischen Verteidiger hatte, sondern auch die seelsorgerliche Begleitung Einzelner, so des Ahlhorner Pfarrers Hans Roth (1896-1958), dessen Korrespondenz mit seinem akademischen Lehrer Rudolf Bultmann in einem eigenen Aufsatz gewürdigt wird, und auch die Frage des christlichen Trostes angesichts der Entmythologisierung und der Trostbedürftigkeit des Menschen. – Die Sammlung dieser Aufsätze wird nicht nur durch Indices der Personen und Orte, sondern auch der Sachen erschlossen; jeder, der einmal versucht hat, komplexe theologische Sachverhalte durch ein Register zu erschließen, wird die Mühe zu würdigen wissen, die der Vf. dafür verwendet hat, alle anderen werden das Werk dankbar benutzen, das auf diese Weise leicht handhabbar wurde.

Quelle: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 114 (2016), S. 290-292

Oldenburger Forschungen, Band 27

Der römische Münzschatz von Jever

Oldenburger Forschungen Band 27 Titelbild

Im Jahre 1850 entdeckten Arbeiter nahe des heutigen Schlossparks Jever einen der größten antiken Münzschätze Norddeutschlands, der mehrere tausend Silbermünzen der römischen Kaiserzeit umfasste. Bevor sie wissenschaftlich erfasst und gesichert werden konnten, gelangten viele der Münzen in den illegalen Handel. Über 500 Münzen befinden sich heute in den Sammlungen des Schlossmuseums Jever und anderer Museen der Region.

Der spektakuläre Fund sorgte im 19. Jh. für viel Aufsehen und wurde seither immer wieder in der Literatur thematisiert. Bislang fehlte jedoch eine umfassende Veröffentlichung zum Fund und seinen größeren historischen Zusammenhängen. Diese Lücke versucht die vorliegende Publikation zu schließen.

Dabei wird u. a. den Fragen nachgegangen, inwieweit das Auftauchen des antiken Münzfundes in Friesland zur Herausbildung eines regionalen Geschichtsbewusstseins geführt hat, welche Schlüsse aus den Münzbildern und der Zusammensetzung des Schatzes gezogen werden können und was der Schatz über die Beziehungen zwischen Römern und Germanen in der Kaiserzeit auszusagen vermag.

Erschienen im Isensee Verlag Oldenburg. ISBN 978-3-899995-846-1.

Oldenburger Forschungen, Band 26

Fernab vom Paradies – Vertriebene werden neue Bürger im Oldenburger Land

17 Autoren haben aus unterschiedlicher Perspektive und mit je eigenem Schwerpunkt Ankunft, Aufnahme und Eingliederung der Heimatvertriebenen im Oldenburger Land nach dem Zweiten Weltkrieg beschrieben, und zwar in historischer, sozialer, wirtschaftlicher und kirchlicher Sicht. Präsentiert wird ein Buch von 430 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Das Ganze ist ein Gemeinschaftsprojekt von Oldenburgischer Landschaft und Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e.V.

Oldenburger Forschungen, Band 25

Friederike von Washington. Herzogin von Oldenburg (1820 - 1891)

Oldenburger Forschungen, Band 24

Die Erinnerungen von Johannes Ramsauer, evangelische Kirchenpolitik im 19. Jhd in Oldenburg

Oldenburger Forschungen, Band 23

Geschichte des Naturschutzes im Land Oldenburg 1880 - 1934

Oldenburger Forschungen Band 23 Titelbild

Gemeinhin gilt für Deutschland die 1871 einsetzende Hochindustrialisierung als Auslöser für die Heimat- und Naturschutzbewegung der Jahrhundertwende. Ernst Rudolff und Hugo Conwentz werden als die Väter der deutschen Naturschutzgeschichte gewürdigt. Doch wie stellen sich die Anfänge des Naturschutzes auf regionaler Ebene dar?

Die Geschichte des Naturschutzes im Land Oldenburg 1880 - 1934 dokumentieren die Anfänge des Naturschutzes in einem agrarisch geprägten Kleinsaat des Deutschen Reiches. Eine Bestandsaufnahme der im Landesteil Oldenburg am Naturschutz beteiligten Personen und Organisationen, ihrer Argumente und Konflikte, der Schutzelemente und -maßnahmen sowie der schutzwürdigen Objekte gibt Auskunft über die Wurzeln der Naturschutzbestrebungen im Oldenburger Raum.

Oldenburger Forschungen, Band 22

50 Jahre am Oldenburger Hof

Oldenburger Forschungen Band 22 Titelbild

Adam Ernst Rochus v. Witzleben (1791-1868), der Sohn des oldenburgischen Kammerherrn und Schlosshauptmanns Rochus Friedrich Otto v. Witzleben, verlebte seine Kindheit in Eutin, später in Plön. Hier amtierte sein Vater als Hofchef, in Wirklichkeit als Aufseher des psychisch kranken und regierungsunfähigen Herzogs Peter Friedrich Wilhelm v. Holstein-Oldenburg.

Bis zu seinem 19. Lebensjahr galt Adam Ernst Rochus v. Witzleben als zukünftiger Erbe der Familiengüter Hude und Elmeloh, die der ältere Bruder des Vaters bewirtschaftete. Mit der späten Geburt eines Sohnes auf Hude veränderte sich der Lebensplan des Knaben.

Nach der Teilnahme als freiwilliger Offizier an den Feldzügen gegen Frankreich 1813 und 1815, zuerst in der Russisch-deutschen Legion, dann im oldenburgischen Infanterie-Regiment, erlangte Rochus von Witzleben bald und zwar in der höfischen Funktion als Kammerjunker, eine besondere Vertrauensstellung bei Herzog Peter Friedrich Ludwig. Er dient diesem als Reisebegleiter, ohne dass ihm die formelle Funktion eines Reisemarschalls übertragen wurde. Auch dem Regierungsnachfolger Großherzog Paul Friedrich August diente Rochus v. Witzleben bis zu dessen Tod als Kammerherr und Oberstallmeister und begleitete diesen auf zahlreichen Reisen. Die plastischen und farbigen Mitteilungen des Verfassers über die Pseudo-Hofhaltung des kranken Herzogs Peter Friedrich Wilhelm in Plön und von seinen Erlebnissen am Oldenburger Hof verdienen, auch wenn sie naturgemäß nicht von ausgeprägter Kritik geleitet sind, wegen ihrer Authentizität und nicht zuletzt auch wegen ihres gelassenen Humors die Aufmerksamkeit des Lesers. Die Erinnerungen des Hofbeamten Rochus v. Witzleben sind es jedenfalls wert, bei der künftigen Geschichtsschreibung über das 19. Jahrhundert in Oldenburg beachtet zu werden.